Karen Kunkel

 

Karen Kunkel

Geboren in Stralsund + Tanzausbildung in Stralsund und Berlin + Studium der Rechtswissenschaften in Greifswald und Italien (Kriminologie in Sizilien) + Referendariat in Deutschland, Polen und Italien + zweites Studium der Kunstgeschichte und bildenden Kunst am Caspar-David-Friedrich-Institut + seit 2011 eigene Atelierräume + seit 2017 eigene Druckwerkstatt + 2021/2022 Stipendiatin des Mentoring-Kunst-Programms des Künstlerbunds MV + Arbeits- und Studienaufenthalte in Amerika, Italien, Polen, Russland, Israel + lebt und arbeitet in der Nähe von Greifswald

Mitgliedschaften
Künstlerbund Mecklenburg und Vorpommern e. V. im BBK
artcube – Raum für zeitgenössische Kunst e. V.
Kulturfelder e. V.
Künstlerinnengruppe KollAktiv

 


 

Ad acta 2020-2021

Was der Mensch als sein ICH versteht, ist ein Konstrukt aus Veranlagung, Erfahrung und Projektion. Entstanden in den Echokammern des Lebens, durch Reflexion und Verdrängung, in Traum und Rausch, aus den Lehren von Eltern, Lehrern, Freunden und Feinden. Und aus dem Wunsch heraus, Menschen zu imponieren, die er weder verehrt noch liebt.

Umlaufmappen bilden die Malgründe der Serie ad acta. Sie sind Zeugen von Verwaltungsvorgängen, wie sie in den verschiedenen Lebenszusammenhängen entstehen, versehen noch mit Nummern, Namenskürzeln und Daten. Die Mappen haben Vorder-, Rück- und Innenseiten, Lochungen lassen sie durchlässig erscheinen.

Menschen versuchen, alle Abläufe in Akten, Kategorien, Systeme, Schemata, letztendlich in „Schubladen“ zu pressen. Natürlich sind Kategorisierungen an sich sinnvoll, aber zugleich sind sie auch einengend. Der Mensch auf seiner Suche nach Systematik und in dem Bedürfnis nach Ordnung und Übersichtlichkeit bedient sich bestimmter „Cluster“, die jedoch häufig der Komplexität nicht gerecht werden können. Das scheint mir besonders deutlich, wo der Mensch selbst „geclustert“ wird. Denn was macht einen Menschen aus? Ist möglicherweise das Unsichtbare nicht nur ehrlicher und gefühlvoller, sondern auch bedeutungsvoller und interessanter? Die kaum wahrnehmbaren Schichten dazwischen, das Versteckte, das Verborgene?

Diese Fragen stelle ich nicht nur mir, sondern auch den Bildern im Dialog. Und nicht zuletzt den Betrachtenden.

Zentrale Themen dabei bleiben für mich das Ausgeliefertsein und die Verletzbarkeit des Menschen in seinen psychischen und physischen Befindlichkeiten. Seine Zerbrechlichkeit und Nacktheit bleiben oft verborgen, auch die kaum wahrnehmbaren Schichten dazwischen, das Verdeckte, das Unsichtbare. Genau das interessiert mich, dem spüre ich auch in meinen Arbeiten auf Umlaufmappen nach.

Dabei setze ich nicht fertig komponierte Bilder um, sondern folge meiner Stimmung und meinem Gefühl in einer Art emotionalem Dialog mit dem entstehenden Werk. Das gilt auch für die bildnerische Umsetzung mit Zeichenstiften, Kohlen, Kreiden, Tuschen, Lacken, Klebebändern und anderen Mitteln, die ich nutze, ohne mich vorab festzulegen. Im Schöpfungsprozess lasse ich das jeweils Geschaffene auf mich wirken, reagiere darauf, ergänze, verändere, verwerfe, übermale, zerstöre und schaffe neu. Ich nehme den Widerhall wahr und bringe ihn in die laufende künstlerische Arbeit ein.