Smidth, Hans. Blick über ein dänisches Moor, Öl auf Leinwand, auf Holz aufgezogen, undatiert, 15 x 31 cm. Staatliches Museum Schwerin/Ludwigslust/Güstrow, Schenkung Christoph Müller im Pommerschen Landesmuseum Greifswald.

Smidth, Hans. Blick über ein dänisches Moor, Öl auf Leinwand, auf Holz aufgezogen, undatiert, 15 x 31 cm. Staatliches Museum Schwerin/Ludwigslust/Güstrow, Schenkung Christoph Müller im Pommerschen Landesmuseum Greifswald.

THEORIA – Die Malerei der Romantik in Nordeuropa in ihren transkulturellen Bezügen und Rezeptionen

Aufgaben und Ziele des Promotions-, Postdoc-, und Professorenstipendiums

Die Forschergruppe versucht, die in der Kunstgeschichte seit langem etablierte Romantikforschung in einen erweiterten Kontext zu stellen. Als innovatives Potential und Forschungsdesiderat werden dabei der transnationale Austausch zwischen den Künstlern sowie die Rezeption der Romantik, die eine Kontinuität, eine „longue durée“, bis in das 20. Jahrhundert besitzt, gesehen. Die Teile der Forschergruppe ergänzen sich insofern, als die beiden ersten Teilprojekte die Kunst der Romantik jeweils an einem konkreten Werkbestand aufarbeiten: Während das Teilprojekt 1.1 dieses am Beispiel der etwa 500 Werke zur dänischen Malerei der Sammlung Christoph Müller in Greifswald unternimmt, ist für das Teilprojekt 1.2. eine Untersuchung des Werkbestandes der Künstlerkolonie Schwaan vorgesehen, die sich vor allem in der Zeit der „Nach-Romantik“, also ab dem späten 19. Jahrhundert bewegt. Das Teilprojekt 1.3 hingegen versucht für die an zwei Werkkomplexen getroffenen Erkenntnisse von Teilprojekt 1.1 und 1.2 eine umfassende theoretische Grundlage zu liefern, die dann von der Romantik als einer für den „Norden“ spezifischen Kunstform sprechen lässt. Diese Ansätze in einem übergreifenden Projekt miteinander zu verbinden, in dem jedem Thema so viel Eigenständigkeit wie möglich zugestanden wird, zugleich aber durch deren Öffnung das Beziehungsgeflecht romantischer und nachromantischer Ideen, Konzepte, technischer Verfahren und Sozialisierungsmechanismen auf fundierter theoretischer Ebene weiter entschlüsselt werden soll, ist Anliegen des Forschungsvorhabens.  

 

 

1.1 Von der Akademie in die Natur. Die frühe Freilichtmalerei in Dänemark und Norddeutschland am Beispiel der Sammlung Müller (Promotionsstipendium)

 

Das Promotionsthema soll die Beziehungen zwischen der romantischen Malerei in Dänemark und Norddeutschland in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts beleuchten. Die seit April 2016 dem Pommerschen Landemuseum Greifswald übereignete Sammlung zur dänischen Malerei des Berliner Sammlers Christoph Müller bietet zur Realisierung des Promotionsvorhabens eine einmalige Chance, denn mit ihren nahezu 500 Objekten aus dem Bereich der Malerei, Zeichnung und Graphik hält sie ein umfangreiches Reservoir an Kunstwerken zu nahezu allen dänischen Künstlern des 19. Jahrhunderts bereit. Dazu gehören Jens Juel, Christoffer Wilhelm Eckersberg, Martinus Rørbye, Peter Christian Skovgaard, Johan Thomas Lundbye, Vilhelm Melbye oder Wilhelm Marstrand (Wesenberg 2016). Durch das Promotionsprojekt ist zudem das Kriterium der gerade in den Geisteswissenschaften selten zu findenden, anwendungsbezogenen Forschung erfüllt: Es können Forschungsergebnisse der Universität am Werkbestand der Sammlung Müller überprüft werden und umgekehrt die durch das Studium an den Objekten gewonnenen Erkenntnisse in die universitäre Forschung zurückfließen. Im Rahmen des Promotionsvorhabens soll es möglich sein, zusammen mit dem Lehrstuhl des Antragstellers und Frau Dr. Birte Frenssen vom Pommerschen Landesmuseum die wissenschaftliche Aufarbeitung der Sammlung Müller mit einem Bestandskatalog zu gewährleisten. Auf diese Weise kann dieses für Mecklenburg-Vorpommern bislang singuläre Forschungsprojekt zwischen Universität und Museum zusätzliche Synergieeffekte erbringen. 

Ziel des Promotionsvorhabens ist unter anderem die Beschäftigung mit der Frage, wie es möglich war, dass scheinbar banale Bildgegenstände wie Wolken und Meereswellen im 19. Jahrhundert zu zentralen Bildthemen avancieren konnten. Die Voraussetzungen hierfür bildeten zum einen das Naturstudium, das immer weiter vervollkommnet wurde, zum anderen die sich entwickelnde Autarkie gegenüber der akademischen Malerei. Ein weiterer Schwerpunkt soll auf den Wechselbeziehungen zwischen dänischen Künstlern und norddeutschen Malern der Romantik wie Caspar David Friedrich, Philipp Otto Runge oder Georg Friedrich Kersting liegen, die ebenfalls um 1800 an der Kopenhagener Akademie studiert haben (Börsch-Supan 1999, Johnston 1999).  

  

 

1.2. Die Freilichtmalerei und ihre Bedeutung im künstlerischen Werkprozess. Die Künstlerkolonie Schwaan im europäischen Kontext (Postdoc-Stipendium)

 

Der Paradigmenwechsel in der Naturwahrnehmung in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts, der die Gattung der Landschaftsmalerei aus ihrer untergeordneten Stellung hob, wurde wesentlich durch die Rezeption der deutschen Romantiker beeinflusst. Mit neuen Vorbildern vor Augen und innovativen Gestaltungsmodi entwickelte sich das Studium vor der Natur zu einem Bestandteil des künstlerischen Werkprozesses. Die mimetische Abbildung der Natur wich einer genauen Beobachtung, wobei der individuelle Eindruck, die Empfindungen Gewicht im Bild erhielten (Hamann 2001). Diesen Prozess haben wesentlich die Künstlerkolonien mitgetragen. Ihre Herausbildung ist untrennbar mit der Entwicklung in ganz Europa zu sehen, die in den 1830er Jahren in Barbizon ihren Anfang genommen hat und als deren künstlerisches Ergebnis die Freilichtmalerei herauszustellen ist. Die Künstlerkolonien haben somit grundlegende Voraussetzungen für die Entstehung der Moderne gelegt, worin zugleich eine weitere Verbindung mit der Romantik zu sehen ist, die ihrerseits durch den Bruch mit den Konventionen des seit der Renaissance in der klassischen Hochkunst propagierten Bildaufbaus auf formaler Ebene dazu beigetragen hat. Diese formale Neuerung wurde auch in den Künstlerkolonien aufgegriffen. Weitere Beziehungen zur Romantik sind in der Gründung von Künstlerbünden zu sehen, die ihre Wurzeln in einer gemeinschaftlichen Opposition gegen die Akademien, einer subjektiven Behandlung der Sujets und Individualisierung der Künstler haben. 

Eine Künstlerkolonie in der Nachfolge der Schule von Barbizon entstand auch in der Ackerbürgerstadt Schwaan. Ihre Gründung ist mit dem gebürtigen Schwaaner Franz Bunke verbunden, der unter Theodor Hagen an der Weimarer Malerschule studiert hat. Damit wurden Weimar und Theodor Hagen der Schlüssel zum Werk der in Schwaan wirkenden Maler, auch wenn diese später individuelle Wege gingen: Bunke regte, nachdem er in Weimar eine Professur für Landschaftsmalerei übernommen hatte, Kollegen an, in Schwaan Naturstudien zu betreiben. Auf seine Initiative hin nahmen auch Rudolf Bartels sowie Peter Paul Draewing ein Studium bei Hagen in Weimar auf. Auch das vierte bedeutende Mitglied der Künstlerkolonie, Alfred Heinsohn, hatte in Weimar unter Hagen studiert (Jürß 1992, Ziegler 2010 und 2016).

Dem Kunstmuseum Schwaan ist es in den letzten Jahren gelungen, eine Vielzahl von Werken aus privatem Besitz anzukaufen (Jürß und Brunner 2012) und hochkarätige Ausstellungen zu organisieren. Dabei stehen vor allem die Künstler Bunke, Bartels, Draewing und Heinsohn im Fokus. Um jedoch die Aufarbeitung des Œuvres dieser Maler spürbar voranzutreiben, ist es unabdingbar, die Forschungslücken zum Werk von Theodor Hagen, der das Schaffen der Schwaaner Künstler wie kein anderer beeinflusst hat und zu den bedeutendsten deutschen Landschaftsmalern im 19. Jahrhundert zählt, endlich zu füllen. Diese Vorhaben machen eine wissenschaftliche Betreuung seitens einer universitären Einrichtung erforderlich. Ziel ist es eine Monografie zu Theodor Hagen zu erarbeiten, die dessen Werk erstmals stärker wissenschaftlich durchdringt, zugleich aber auch einen Œuvrekatalog beinhaltet, zumal die Kunstwerke sehr weit gestreut sind.

Das Kunstmuseum in Schwaan plant aus Anlass des 100. Todestages Theodor Hagens 2019 eine Ausstellung, für die eine Kooperation zwischen der Universität Greifswald und der Stadt Schwaan im Rahmen dieses Projektes ertragreich sein dürfte. 

 

 

1.3 Der Topos des Nordens in der Malerei der Romantik. Motive, Sozialisationsformen, Rezeptionen (Professoren-Stipendium)

Im Jahre 1827 wurde über zwei Winter-Bilder von Caspar David Friedrich, die in Dresden ausgestellt waren, folgendes geschrieben: „Seine beiden kleineren Stücke, die verfallene Hütte unter dem Schnee und das dunkle Gewölbe, sind in demselben Geist gedichtet und gemahnen an ähnliche kurze Episoden in Ossians Gesängen“. Allen damaligen Lesern dieser Sätze war damit klar: Friedrichs Gemälde konnten nur der nordeuropäischen Sphäre zugeordnet werden, denn der schottische Ossian-Mythos wurde in der Romantik sofort mit der Sagenwelt des Nordens assoziiert (Grave 2012). Das Projekt beabsichtigt zu untersuchen, wie sich nach 1800 eine spezifisch nördliche Bildwelt etablieren konnte, zu der auch andere gemalte Naturphänomene wie Nebel, Wolken, Schnee, Felsen oder Eichen gerechnet werden. Denn auch Künstler wie Carl Gustav Carus haben Orte aufgesucht, die wie Friedrichs Schneehütte Motive ursprünglichen Lebens oder Naturzustände ohne menschliche Spuren zeigen sollten. Dazu gehörten bei Carus die Insel Vilm oder die schottische Insel Staffa. Andere Künstler wählten als Motive Orte, die geschichtliche Zeugnisse vergangener Epochen aufwiesen, etwa Ruinen wie die des Klosters Eldena oder Hünengräber, die Friedrich oder auch der Däne Martinus Rørbye darstellten (Monrad 1999). Bemerkenswert ist, dass alle diese Naturmotive durch intensives Naturstudium und eine präzise Beobachtung, so wie bei Friedrich, John Constable und Johan Christian Clausen Dahl, vorbereitet wurden. Auch eine genau berechnete, perspektivische Konstruktion galt als unverzichtbare Voraussetzung, etwa bei Christoffer Wilhelm Eckersberg (Schubert 2016). Dieser lagen zum Teil naturwissenschaftliche Ansprüche zugrunde, wie die Erkenntnisse des Physikers Hans Christian Ørsted zur Wirkung von Lichtbrechung und Schattenwirkung sowie zur Polarisation der Farben oder auch die Arbeiten von Luke Howard über die Atmosphäre und die Wolkenbildung (Wesenberg 2016). Gerade hieraus bildete sich aber auch in der Freilichtskizze, wie sie vor 1800 in Frankreich entwickelt worden war und dann von Dahl, Constable oder auch William Turner und Carl Blechen als Methode angewandt wurde, eine nahezu gegenläufige Tendenz zur akkurat-linearen Malweise der Akademien heraus. In der Ölskizze waren nun spontane Pinselstriche gefragt, wie sie etwa bei der Darstellung von Regenschauern angebracht schienen (Busch 1983). Wiederum andere Künstler waren bestrebt, „Volkstypen“ wie Seemänner oder Bäuerinnen in Tracht darzustellen, so Wilhelm Marstrand oder Johann Gottfried Schadow, womit ein weiteres Charakteristikum nordischer Kunst entstand (Wesenberg 2016). Diese naturwissenschaftlichen Ansprüchen genügenden Techniken bei landschaftlichen Darstellungen sowie die Betonung ethnischer Charakteristika bei Personendarstellungen führten bei einigen deutschen und skandinavischen Künstlern zu einer nationalen Abschottung ihrer Kunst. So wurden in Dänemark nach 1830 Künstler wie Peter Christian Skovsgaard und Johan Thomas Lundbye durch den Kunstkritiker Nils Lauritz Høyen gedrängt, nicht nach Italien zu reisen und nur noch heimische Motive zu malen (Johnston 1999). Sowohl bei Friedrich wie auch in der schwedischen Malerei sind ähnliche nationalistische Haltungen auszumachen (Grave 2012, Facos 1998). 

Weiterhin sollen die soziologischen Hintergründe beleuchtet werden, die dazu führten, dass solche Künstler auch in Gemeinschaften arbeiteten. Dass die nordeuropäischen Künstler in spezifischen Metropolen wie Kopenhagen, Berlin und Dresden tätig waren und oft eine gemeinsame Ausbildung an den gleichen Kunstakademien und bei den gleichen Lehrern wie Christoffer Wilhelm Eckersberg oder Carl Blechen erfahren hatten (Börsch-Supan 1999), ist ein Hinweis darauf, dass es später zu solchen transkulturellen Interdependenzen, aber auch Isolierungen vom „südlichen“ Europa hat kommen können. Die Sozialisationsform der Künstlerkolonie hat nicht zuletzt hier ihren Ursprung. 

Die Untersuchung soll durch die Erforschung des Topos der „nordischen Kunst“ in der Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts abgeschlossen werden. Nach der Wiederentdeckung der romantischen Kunst Nordeuropas etwa durch Alfred Lichtwark bald nach 1900 versuchten Kunsthistoriker wie Kurt Karl Eberlein nach 1933, die Kunst Caspar David Friedrichs mit einer rassistischen Interpretation umzudeuten, etwa in dem Sinne, dass Friedrich beabsichtigt habe, einen spezifischen „nordischen Menschentypus“ zu schaffen (Saß 2008). 

Die geplante Monographie soll, erstmals in der Kunstgeschichte, einen zusammenfassenden Überblick über die transnationalen Verbindungen skandinavischer, englischer und deutscher Künstler in der Romantik liefern und dabei 1. die spezifischen Techniken ihrer Gemälde und Zeichnungen miteinander vergleichen, 2. die Motive als Teil einer „nordischen“ Kunstlandschaft identifizieren, 3. die Sozialstrukturen in Form gemeinsamer akademischer Ausbildungen und Künstlerbünde untersuchen und 4. die kunstgeschichtliche Romantikforschung des 20. Jahrhunderts beleuchten, die, wenigstens im Nationalsozialismus, sich in ideologischer Absicht dieser Sonderrolle bediente und daraus „völkische“ und „rassische“ Interpretationsmuster entwickelte.  

Um dem Projekt eine umfassende theoretische Grundlage zu bieten, die auch am Bestand der Museen, Bibliotheken und Archive in Kopenhagen und Oslo orientiert sein soll, ist ein einsemestriger Forschungsaufenthalt in Kopenhagen und Oslo geplant.