Entscheiderinnen

Das Recht zu Wählen und bezieht sich auf 100 Jahre Frauenwahlrecht in Polen, Österreich und Deutschland. Im Mittelpunkt der Ausstellung steht das Recht der Frauen heutzutage, Entscheidungen im privat- gesellschafts- und Berufsleben zu treffen.

Die Ausstellung in Krakau, 08. - 30.08.2017


wird, wie in den vorherigen Jahren, in der Galerie des Nürnberger Hauses und in den Räumlichkeiten eines gegenüber liegenden Gebäudes organisiert. Wir möchten die Zeit vor den Renovierungsarbeiten nutzen und den Künstlerinnen für ihre Tätigkeiten ehemalige Lokale der Kunstgalerie, des Lagers, der Geschäfte oder Wohnungen zur Verfügung stellen. Wir planen auch, die Fassade des Hauses sowie den Raum zwischen den Häusern zu bespielen (Aktionen, Performance, Happenings).  

Der Termin für die Zusendung der Projekte: 17.12.2017

Adresse: domnorzmkr.onetpl

Organisation: Iwona Demko und Renata Kopyto

 

 

Entscheiderinnen

 

Kunstprojekt zum 100. Jahrestag der Erlangung des Wahlrechtes für Frauen in Polen, Deutschland und Österreich

Krakau, 08. - 30.08.2017

 

Das Recht zu wählen ist ein Grundwert, der jedem von uns - unabhängig von seinem Geschlecht und gesellschaftlicher Zugehörigkeit - zusteht. Es ist ein Ausdruck des bewussten Selbstwertgefühls, etwas, dass uns durch die verfassungsrechtlichen Bestimmungen in einem demokratischen System gewährleistet scheint. Das heißt unter anderem, dass Mann und Frau vor allem das gleiche Recht auf Bildung, Beschäftigung und Beförderung, auf Arbeit und eine angemessene Entlohnung, auf soziale Sicherheit und Zugang zu Führungspositionen sowie das Recht auf Amtsausübung und auf Auszeichnungen haben.

Das, was uns heute als selbstverständlich erscheint, ist das Ergebnis eines Kampfes vieler Generationen. Als erste „moderne“ Kämpferin für das Frauenwahlrecht gilt Olympe de Gouges, die im 18. Jahrhundert während der französischen Revolution (in Reaktion auf die Beschlüsse der ersten Verfassung, in der Hausfrauen zusammen mit den sogenannten Passivbürgern ohne Stimmrecht zählten) eine Erklärung für die Rechte der Frauen und Bürgerinnen verfasste und dafür mit ihrem Leben bezahlte. Doch ihre Bestrebungen zahlten sich aus und inspirierten andere Frauen. Die Suffragetten waren die ersten, die ihr Recht zu wählen forderten, ihre Bewegung agierte anfangs in den USA und Großbritannien. Leider wurden ihre Forderungen oftmals bagatellisiert und sie selbst wurden ausgelacht. Allgemein dachte man, dass die Zulassung zur Wahl die „Weiblichkeit“ bedrohen, die männliche Autorität untergraben und für Chaos in der Familie sorgen würde. Aber vor allem hatte man vor dem Einfluss der Frauen auf die Gesetzgebung und die potenziellen Veränderungen im gesellschaftspolitischen Zusammenleben Angst, die durch ihre Stimmen eingeführt werden könnten. Unbeeindruckt und entschlossen bedienten sich die Suffragetten in ihrem Kampf auch anderer Argumente: Sie schlugen Schaufenster ein, steckten Briefkästen in Brand und ketteten sich an Zäune. Wegen der sechs Monate andauernden Belagerung des Weißen Hauses kamen sie ins Gefängnis. Dort wurden sie unter dem Vorwand „Störung der öffentlichen Ordnung“ verhaftet und weggesperrt. All diese Bemühungen und Demütigungen wurden jedoch belohnt. Im Jahr 1893 durften Frauen erstmals in Neuseeland zu den Wahlurnen gehen. Dasselbe passierte 1869 auch in den Vereinigten Staaten in Wyoming, doch das allgemeine Wahlrecht in den USA wurde den Frauen erst durch den 19. Verbesserungsantrag zu einem Gesetz der Verfassung aus dem Jahre 1920 gewährt. Das erste europäische Land, das im Jahr 1906 das Wahlrecht für Frauen einführte, war Finnland. Zum ersten Mal in der Geschichte erhielten Frauen dort passives Wahlrecht und erlangten somit auch die Erlaubnis, zu kandidieren.

Fast 40 Jahre nach den ersten Maßnahmen bezüglich der Gewährung des Wahlrechts für Frauen im Jahr 1918 wandte sich eine Delegation der polnischen Frauen in dieser Angelegenheit an den Marschall Józef Pilsudski. Nachdem die Frauen mehrere Stunden in der Kälte vor seiner Villa standen, wurden sie angehört und ihre Forderungen akzeptiert. Im selben Jahr wurde das Stimmrecht der Frauen auch in Österreich, Deutschland, Estland, Ungarn, Litauen, Lettland und Kirgistan zuerkannt.

Die Änderung des Wahlrechts zur Gunsten der Frauen in Österreich und anderen Ländern, die nach dem Zerfall der österreichisch-ungarischen Monarchie möglich war, dank der sozial-politischen Situation, die nach dem Ende des 1. Weltkrieges in dieser Region entstanden ist. In sehr vielen wirtschaftlichen Bereichen fehlten Männer und sie wurden durch Frauen mit Erfolg ersetzt. Viele Argumente, die früher erhoben wurden, als ob das weibliche Geschlecht schwächere geistige oder körperliche Konditionen hätte, haben sich in Luft aufgelöst. Die Frauenbewegung in der Habsburger Monarchie konzentrierte sich vor allem in Wien, in Deutschland wiederum bildete sich dafür ein Zentrum in Berlin. Hier fanden Frauenkongresse statt, die um eigenes Recht kämpften. Der Erste Internationale Frauenkongress für Arbeitsrecht und Gleichstellung wurde im Jahre 1896 organisiert, der nächste, während dessen ein Verband der internationalen Frauenvereine – International Women Suffrage Alliance gegründet wurde, fand 1904 statt.

Der Kampf um das Wahlrecht und der Kampf um den Zugang zu Bildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten wurden zu Hauptforderungen in der Erlangung der Gleichberechtigung von Frauen, was zu ihrer Eigenständigkeit und Selbstbestimmung in allen Bereichen des Lebens führte. Obwohl es heute als selbstverständlich gilt, ist daran zu erinnern, dass vor nicht allzu langer Zeit noch folgende Gesetze in Deutschland galten: bis 1928 hatte der Mann das Recht auf körperliche Züchtigung der Frau, bis 1957 gab es ein Gesetz, das besagte, dass Frauen ohne Zustimmung ihres Mannes nicht arbeiten dürfen. Der Mann konnte ohne das Wissen seiner Frau ihren Arbeitsvertrag kündigen. Wenn eine Frau nicht in der Lage war, Familienpflichten mit ihrer Erwerbstätigkeit zu vereinbaren, konnte das ein Grund sein, der zur Scheidung führte - durch ihr Verschulden. In Konsequenz dazu verlor die Frau das Sorgerecht für ihre Kinder. All diese Gesetze kamen aus einer Zeit, in der Frauen keinen Einfluss auf die Gesetzgebung hatten. Heute können Frauen derlei Dinge beeinflussen, aber leider nehmen sie dieses Recht zu wenig in Anspruch und gehen davon aus, dass das, was ihnen gegeben wurde, für immer gelten wird.

Mit der Realisierung des Projekts „Entscheiderinnen. Das Recht zu wählen“ wollen wir zum 100. Jahrestag zur Erlangung der Wahlrechte der Frauen in Polen, Deutschland und Österreich, gemeinsam darüber nachdenken, welche Entscheidungen wir Frauen heute treffen und ob wir mit den Möglichkeiten, die unsere Großmütter und Urgroßmütter uns eröffnet haben, zufrieden sind. Durch das Wahlrecht können wir unsere Vertreter in Verwaltungen, im Parlament oder im Stadtrat bestimmen und indirekt auf die durch sie geführte Politik Einfluss nehmen. Dennoch treffen wir jeden Tag unzählige Entscheidungen, die sich auf unser Leben, unsere Angehörigen, unser Umfeld und das Land in dem wir leben, auswirken. Sie gestalten unser Bild und unsere Situation in der Gesellschaft, prägen unsere familiären und partnerschaftlichen Beziehungen und letztendlich bestimmen sie unsere berufliche Position und manchmal auch die politische.

Gibt es noch etwas, um das wir kämpfen sollten? Existieren noch rechtliche Einschränkungen bezüglich der Frauen in Polen und Deutschland? Wenn ja, welche Bereiche des Lebens sind davon betroffen? In welcher Situation dürfen Frauen heute nicht entscheiden? Haben Stereotypen einen Einfluss auf ihre Entscheidungen? Mary Wollstonecraft schrieb 1792 in ihrem Buch Die Verteidigung der Frauenrechte, dassFrauen in einer Art und Weise heranwachsen sollten, in der sie selbstständig denken und handeln können. Genau so eine Möglichkeit bietet uns das Recht zu wählen, es verändert vor allem, dass man nicht mehr etwas machen muss - sondern es tun möchte, oder eben nicht.

Die Ausstellung „Entscheiderinnen. Das Recht zu wählen“ umfasst eine Präsentation von Kunstwerken, Kunstaktionen, Performances und Workshops. Das Thema „Das Recht Entscheidungen zu treffen“ bezieht sich auf solche des privaten, beruflichen und gesellschaftlichen Lebens der Frauen im Allgemeinen.

Zur Teilnahme an dem Projekt werden Künstlerinnen aus Polen, Deutschland, Österreich und anderen Länder eingeladen. Die Ausstellung soll in der Galerie des Nürnberger Hauses in Krakau und in Räumlichkeiten des, gegenüber der Galerie stehenden Hauses, gezeigt werden. Wir möchten die Zeit vor der Renovierung des Gebäudes nutzen und das Haus, sowie ehemalige Räume der Kunstgalerie, des Lagers, der Geschäfte oder Wohnungen, den Künstlerinnen für verschiedene Tätigkeiten zur Verfügung stellen. Wir planen auch die Fassade des Baus und den öffentlichen Raum zwischen den Häusern für unterschiedliche Aktionen, Happenings und Performances zu bespielen. Wir werden Organisationen, Stiftungen und Institutionen, die sich für Frauenrechte und Gleichgerechtigkeit einsetzen, für die Zusammenarbeit einladen.