Eine Videoinszenierung
Carolin Jürß, Friederike Reinhardt, Alina Sander
18.07. - 26.07.2019
Im Caspar-David-Friedrich-Institut der Universität Greifswald wurde im Sommersemester 2019 am Lehrstuhl Neue Medien eine Lehrveranstaltung mit dem Titel „Inkognito - zwischen Cybermobbing und der großen Liebe aus dem Internet" angeboten. Zielsetzung für die im Bereich Bildende Kunst Studierenden war die selbstständige Entwicklung eines Kunstprojektes innerhalb der ganzen Bandbreite des Bereiches Neuer Medien. Carolin Jürß, Friederike Reinhardt und Alina Sander entwickelten eine Videoinszenierung, die sich mit dem Thema Mobbing, speziell dem Cyber-Mobbing beschäftigt.
Auf einem Monitor wird eine unbewegliche, mit dem Rücken an einer Wand stehende weibliche Person gezeigt. Das Gesicht der Frau ist weiß geschminkt. Ein anonymisierter Mensch in der Box, sinnbildlich die Gefangenschaft vor einem Monitor. Aus Neugier, einem Spiel entwickelt sich eine gefährliche Situation. Die Veränderung findet subtil statt. Zunächst unverfängliche Chats verzerren sich, eigenartige Fragen und Anspielungen, boshafte Bemerkungen irritieren und verletzen.
Die Autorinnen geben ihrer Inszenierung „#Präsenz“ Zeit. Aus anfänglicher Vertrautheit, Intimität wird Erstarrung. Die Frau auf dem Bildschirm wird plötzlich attackiert. Auf ihr Gesicht und ihren unbeweglichen Körper projizieren sich Hass- und Schmähkommentare. Eine grausame Attacke in dieser einsamen Situation.
Diese verstörende Situation aktiviert den Rezipienten. Aus Hilflosigkeit wird Widerstand. Unterstützt von der wütenden Erregung eines instrumentalen Jimi Hendrix Songs.
Holger Stark, Vertretungsprofessur Neue Medien und angewandte Grafik im Bezugsfeld Bildender Kunst CDFI, Universität Greifswald, Juli 2019
Nachtrag, ein Fallbeispiel:
Amanda Todd, eine kanadische Teenagerin hatte sich nach jahrelangem Cyber-Mobbing das Leben genommen. Zuvor drehte Amanda ein YouTube-Video und erzählte darin ihre erschütternde Odyssee, die sie letztendlich in den Tod trieb. In der siebten Klasse begann sie im Internet neue Kontakte zu Fremden zu knüpfen. Eines Tages bat sie ein Cam-Chat- Partner ihre Brüste zu zeigen. In ihrer jugendlichen Unbedarftheit folgte die Teenagerin dem Wunsch des Fremden. Ein Jahr später meldete sich dieser wieder bei Amanda via Facebook und erpresste sie mit Nacktaufnahmen, die er per Screenshot vom Cam-Chat gemacht hatte. Als die Jugendliche nicht darauf einging, versendete der Mann die Bilder an ihre Freunde und Bekannte. Daraufhin fiel Amanda in eine Depression, ihr Umfeld distanzierte sich von ihr. Amanda wechselte mehrfach die Schule und unternahm einen ersten Selbstmordversuch. Im Oktober 2012 nahm sich Amanda das Leben. Ihre letzten Worte in ihrem YouTube-Video waren: "Ich stecke fest, keine Ahnung was mit mir los ist, bzw. was von mir übrig ist. Es hört nicht auf... Ich habe niemanden, brauche jemanden".